Wie weit ist Retusche legitim?

guenter_w

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Hallo!

"Der Strommast stört." - "Die Leitung hätte man wegretuschieren können." - "Personen 'wegstempeln'." ...

Die EBV kann in Verruf geraten. Wann darf etwas entfernt/geändert werden? Foto als Dokumentation oder Kunstwerk?

Anstoß mal wieder zu solchen Gedanken gab der Artikel auf SPIEGEL-online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,339120,00.html.

Hier wird mit der Retusche bzw. dem Erkennen derselben sogar Gesellschaftskritik geübt.

Gruß

Günter
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo Günter!
Schönes Beispiel!
Was hätte Stalin dafür gegeben, wenn er bei der Entfernung von Trotzky aus allen offiziellen Fotos schon EBV zur Verfügung gehabt hätte. ;)
Die Retusche ist im vorliegenden Fall doch überhaupt nicht zu bezweifeln.
Wer es wie der erwähnte Sprecher dennoch tut ist dreist, er rechnet mit der Naivität seiner Mitmenschen.
Darauf hinzuweisen fällt unter Aufklärung.
Schon "analog" wurde gefälscht, digital aber ist ein einzelnes Foto als Dokument nur noch sehr bedingt brauchbar. Selbst bei Filmen, vor allem bei Werbefilmen werden z.B. für arabische Länder alkoholische Getränke regelmäßig in Wasserflaschen verwandelt.. da lebt schon eine Branche von.
Nur: wenn Rembrandt selber in seiner Nachtwache eine Person übermalt hätte, dann wäre das keine Fälschung. Der Begriff wäre erst dann am Platz, wenn ich das bei einer Repro täte und es mit Rembrand-Nachtwache untertiteln würde.... In den USA sah ich ähnliche Bilder, die hießen dann aber "Variations of Picasso" ...und hingen neben Originalen :)
Sicher gibt es auch bald Versionen von Casablanca mit Humphrey Bogart 8-) ohne Glimmstengel im Mundwinkel...

Gruß
Heiner
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo!

Was ich letzthin anderswo schon gepostet hatte, als jemand meinte, man dürfe die Bilder nur genau so nehmen, wie sie aus der DigiCam kommen. Jede Veränderung sei moralisch verwerflich:

"Hallo!

Was soll daran gemogelt sein, wenn man nachträglich z.B. einen falschen Weißabgleich korrigiert? Soll ich etwa das Bild mit diesem Farbstich veröffentlichen? Und wenn nicht, dann bleibt mir nur wegschmeißen! Warum also sollte man es nicht retten?

Wo ist bei der Tonwertanpassung (Helligkeitsstufen und Kontraste) der Unterschied zum früheren analogen Abwedeln im Studio? Mal abgesehen davon, daß die Digitaltechnik überhaupt nicht den Dynamikumfang an Tonwerten wie der Film bringen kann und man immer Kompromisse eingehen muß. Soll man etwa technische Mängel wie Hot- und Stuckpixel im Bild unbeseitigt lassen? Sie haben mit der Authentizität des Motivs nichts gemein.

Je besser die DigiCam, desto neutraler kommen die Bilder raus: Sanfte Kontraste, wenig Farbsättigung, wenig Schärfe. Die Bilder sollen bewußt nachbearbeitet werden, deshalb läßt die Technik dem Fotografen noch Nachbearbeitungsspielraum. Was soll verkehrt daran sein, das Bild so herzurichten, daß es einigermaßen dem entspricht, was ich mit bloßem Auge vor Ort gesehen habe?

Mal ganz grundsätzlich gesprochen: Bevor die Bilder als lesbare Datei vorliegen, durchlaufen die Bilddaten in der DigiCam und evtl. auch auf dem PC in einem RAW-Wandler ganz gewaltige Veränderungen und Bearbeitungen. Die Daten, die als Bild am Ende vorliegen, haben mit dem, was der digitale Sensor 'gesehen' hat, nur noch wenig gemeinsam. Aber all diese Umwandlungen nimmt die Software vor. Wer hat die Software erstellt? Richtig, irgendwelche Menschen, die versuchten, es so hinzubekommen, daß die Bilder am Ende so aussehen wie diese Menschen es für korrekt hielten. Tja, aber warum sehen dann nicht alle Bilder aller DigiCams gleich aus? Genau, weil es unzählige Programmierer gibt, von denen jeder eine eigene Vorstellung von dem hat, wie das Ergebnis richtig auszusehen hat.

Nur - warum muß ich ausgerechnet mit der Meinung 'meines' Programmierers übereinstimmen, daß auch ich die Bilder, so wie sie rauskommen, für richtig halte? Ist es nicht vielmehr so, daß die Bilder so aussehen müssen, wie ICH sie haben will - und nicht wie irgend jemand anders? Und mit Sicherheit ist das nicht einfach durch was-auch-immer für Einstellungen an der DigiCam zu erreichen. Also muß ich in der Nachbearbeitung versuchen, meiner Vorstellung am nächsten zu kommen.

Man mag darüber streiten, ob echte Bildmanipulation im Sinne von Bildelemente wegnehmen oder hinzufügen in Ordnung geht. Doch oftmals ist es weder möglich, das Motiv nochmal genau so zu fotografieren, weil es inzwischen weg ist. Oder es nicht möglich, einen Standort einzunehmen, daß ein störendes Element vermieden werden kann, z.B. eine Telefonleitung. Also klont man sie weg. Würde man es nicht tun, wäre das Bild möglicherweise nur gut für den Papierkorb. Und den Telegrafenmasten kann man ja auch nicht einfach absägen fürs Bild. Gerne entferne ich aus dem Bild vor dem Fotografieren Schilder und sonstige bewegliche Dinge, die stören. Wenn das aber nicht geht? Es sein lassen zu fotografieren, oder ein schlechtes Bild machen oder es doch nachträglich korrigieren? Schlechte Bilder gibts genug, für sowas ist die Zeit und der Speicherplatz zu schade.

Doch egal was man mit dem Bild anstellt, es sollte eindeutig Position beziehen: Entweder soll es absolut realistisch wirken oder eindeutig künstlerisch - und dann darf es auch unnatürlich aussehen. Beides erfordert einiges an Übung, weshalb man zunächst nur dezent die Bilder korrigieren sollte, bis man mehr Erfahrung hat. Die Wahl von Brennweite und Blickwinkel, von Belichtungszeit und Blende, aber auch Schärfe und Unschärfe, ja selbst der Blitzeinsatz, schafft nur ein Abbild der Realität, die 'fotografische Realität'. Fotografieren ist schon Manipulation der Realität."

Gruß,

Ralf
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo Ralf!

Mein Überlegungsansatz ist ein bisschen komplexer. Mir geht es nicht um Bildbearbeitung im Sinne technischer Optimierung oder nachträgliche ästhetische Korrektur.

Mein Ansatz ist die Grundaussage des Bildes. Inwieweit darf der Redakteur bzw. Retuscheur in das Bild eingreifen? "Handwerklicher Fehler" eines Profis? Autsch - das tut weh!

Darf ein Bild vor der Veröffentlichung in seiner Aussage wesentlich verändert werden? Wann ist der Dokumentationsanspruch höher als der künstlerisch-ästhetische? Wo sind die Grenzen des Erlaubten?

Gruß

Günter
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo!

Diesen Denkansatz finde ich nicht komplexer, sondern oberflächlicher. Um über legitime Retusche befinden zu können, muß als Grundlage erst mal definiert werden, was ist überhaupt Retusche?

Gruß,

Ralf
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo Ralf, ich bin ganz Deiner Meinung! Man kann sogar noch weiter gehen und sagen: "Sehen ist Manipulation der Realität." Man kann dann aber auch fragen, was eigentlich die Realität ist. Jeder hat seine eigene. Aber da wird es vielleicht doch etwas philosophisch...

Zum Artikel: Die Aussage, es habe 2 Fotoserien gegeben ist nun wirklich lächerlich. Wenn man ein Foto bearbeiten läßt, sollte man auch dazu stehen. Der Herr hätte die Rolex zum Shooting genausogut abnehmen können. Was hätte das letztlich für einen Unterschied gemacht? Die Message ist natürlich politisch nicht korrekt, wenn man die Uhr belassen hätte, aber letztlich hätte diese Uhr auch keinen Unterschied für die firmeninternen Entscheidungen gemacht. Es ist wie so oft: Man kann sich als Unbeteiligter darüber aufregen oder auch nicht, letztlich ist es so gelaufen, wie es gelaufen ist...

Gute Fotodokumentation kommt für mich ohne Entfernung von Bildteilen aus, aber auch schon der "Schußwinkel" kann manipulativ gewählt sein. Mit diesem Bewußtsein sollten wir durch die Welt gehen und hinterfragen, was uns da oftmals auf dem goldenen Tablett serviert wird...


Viele Grüße,
Ralf
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Wir hatten ja neulich schon mal ein ähnliches Thema (Gespiegeltes Bild von kuni-r), bei dem ich auf die damals in Hannover befindliche, von HeinerN erwähnte Wanderausstellung "Bilder,die lügen" hingewiesen habe.
Zur Zeit (22.01. bis 06.03.2005) befindet sich die Ausstellung im Deutschen Zeitungsmuseum, Hofgebäude Wadgassen, Am Abteihof 1, 66787 Wadgassen (bei Saarbrücken).
Dort ist als Beispiel ein Foto aus dem (wenn ich mich richtig erinnere) ersten Irakkrieg abgebildet, bei dem einmal nur mit der Schere das rechte Drittel des Fotos entfernt ist - und schwupps bleibt der brutale Amerikaner übrig. Der zweite Scherenschnitt entfernt nur das linke Bilddrittel - und schwupps haben wir einen amerikanischen Soldaten als Samariter.
Die Ausstellung lehrt den unbedarften Besucher, dass man nicht nur Nachrichten, sondern auch Bildern und Fotos mit entsprechender Skepsis gegenübertreten muss.
Ich selbst musste mich nach dem Ausstellungsbesuch auch als unbedarft bezeichnen, denn mir war zwar bekannt, das man manipulieren kann, aber in welchem Umfang das geschieht, war mir nicht bewusst.
Zu der Uhr: Dass die Uhr wegretuschiert wurde, weil das nicht zu dem "bescheidenen" Manager passt, ist für mich verständlich, und die Agentur hat das ja wohl auch ehrlich zugegeben.
Die Fälschung liegt in der dreisten Lüge der Konzernsprecherin, es sei ein Bild aus einer anderen Schießerei (Shooting). Vielleicht hat die Sprecherin den Schuss nicht gehört :D.
Gruß Horst
 
AW: Bild "verbessern"

Guten Tag zusammen!
Ich bin neu hier (<= habe aber immerhin schon einiges gelesen).
Eigentlich bin ich ein fototechnischer Purist (manche nennen mich wohl einen Wahrheitsfanatiker). Frage deshalb zum 'verbessern' / 'schönen' von Bildern: wie weit darf / soll ein abgelichtetes Motiv gegenüber der Realität verändert werden? Und was ist es danach noch wert?

Günther®
 
AW: Bild "verbessern"

hallo Günther,

das ist eine ganz und gar interessante Frage, auf die es wohl keine allgemeingültige Antwort gibt. Aber sich damit zu beschäftigen, weitet schon den Horizont :D

liebe Grüße
Christa

ps: und jetzt häng ich Deinen Beitrag um an die entsprechende Diskussion... ;)
 
AW: Bild "verbessern"

Hallo Talmida,
du meinst also nicht, dass meine Fragen zum Thema 'Bild verbessern' gehören?
Ähm, wie seltsam ... ???

Günther®
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

hallo Günther,

ich habe den Beitrag nur umgehängt, weil hier das Thema ja schon diskutiert wird - drüben in der Fotorubrik ginge die Frage ja mit der Zeit unter; und das wäre schade ;)

liebe Grüße
Christa
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo Günther,

ich bin zwar nicht Christa, aber ich denke schon, dass dein Beitrag hier thematisch besser passen würde. Lies dir mal die o.g. Beiträge durch, wenn dus nich schon hast. ;)

Ich bin im Übrigen der Meinung, dass das, was aus der Kamera kommt meist noch einer Überarbeitung bedarf. Selbst die Labors haben immer kräftig nachgeregelt. Die Frage ist halt, was will man darstellen und wie weit man als Fotograf dabei ist zu gehen. Von daher ist m.E. alles erlaubt, was gefällt.

Grüße
Micha
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo!

Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein - auch ohne sich zu streiten! ;)

M.E. ist Retusche eine Frage des Ethos in erster Linie und der Ästhetik in zweiter Linie. Zu Dokumentationszwecken darf man meiner Meinung nach nicht retuschieren, aus gestalterischen Gründen muss man bisweilen Bildveränderungen machen. Schon die Auswahl des Objekts als Motiv ist subjektiv , d.h. Gestaltung, umso mehr die Wahl des Ausschnitts, des Winkels, der Beleuchtung usw.

Ein die Gestaltung störendes Straßenschild darf ich entfernen, mache ich dieselbe Aufnahme für eine Unfalldokumentation, dann natürlich nicht! Ein Schweißfleck unter der Achsel dient weniger der Dokumentation, mehr der Demontage - so ein Bild macht man nicht, es sei denn, man möchte dem/der Abgelichteteten schaden. Nicht alles, was man fotografieren kann, kann man fotografieren und nicht alles, was man retuschieren kann, darf man retuschieren! Drei Dinge muss man einschalten: Gehirn, anstand und dann die Kamera!

Gruß

Günter - ohne "h", denn die kriegt immer der Thorsten von mir!
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo Christa,
ich denke, dass die Frage, ob ein Bild geändert werden darf / soll, in erster Linie vom diskutierten Bild selbst abhängt, nicht unbedingt von den hier geäußerten allgemeinen Betrachtungen. Im Originalthread ging es u.a. um einen blassen Himmel - der aber in eben diesem fotografischen Moment genau so aussah. Nichts gegen das hiesige Thema und die dazu geäußerten Meinungen - aber wegen des angeführten konkreten Bildzusammenhangs möchte ich die Thematik nicht hier im 'Abseits' weiterdiskutieren.

Ein Fehlversuch® also, wie schade ...

Günther®
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo!

Beim eingestellten Bild handelt es sich m. E. klar um einen technischen Fehler beim Fotografieren (oder das Bild ist zu sehr komprimiert). Aus "Erinnerungsgründen" könnte man hier evtl. einen "Fremdhimmel" einfügen, denn Dokumentationswert hat das Bild an sich ja keinen (zumindest nicht offiziell). Ist es das, was du meintest, verehrter Namensvetter? ( ;) )

Gruß

Günter
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Hallo!

Hatte ebenfalls kürzlich mit so einem Himmel zu kämpfen: Auf dem Foto fast weiß, hätte ich nicht unterbelichtet sogar absolut weiß. Doch vor Ort war der Himmel nicht so, er war blau, blauer gehts nicht. Das Problem lag in der Technik, die mit dem großen Tonwertumfang von hellem Himmel zu dunklem Gemäuer nicht zurechtkommen konnte - kein Wunder, schräg nach oben fotografiert und fast vollkommen Gegenlicht durch Mittagssonne.

Also, das Bild zeigt eindeutig nicht die Wirklichkeit wie ich sie sah, sondern nur so viel davon, wie die Technik erfassen konnte. Das Bild ist ohne Retusche optimierbar, nur ganz knapp. Doch wenn nicht, dann sähe ich auch kräftige Retusche als zulässigen Ausgleich zu den Fähigkeiten meines Auges im Vergleich zur DigiCam.

Gruß,

Ralf
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Re-hallo!
Was ich meinte, ist, dass ich meine Fragen im konkreten bildlichen Themenzusammenhang diskutieren möchte, d.h. ohne eine (ungefragte) Neuzuordnung nach anderswo.
So hab ich's immer gehalten, so werd ich's weiterhin tun.

Sorry also, verehrter h-loser Namensvetter, vielleicht beim nächsten Mal ... ;)

Günther®
 
AW: Wie weit ist Retusche legitim?

Um welches Bild soll es hier eigentlich gehen, wenn ich fragen darf? ???

Grüße,
Ralf
 
AW: Bild "verbessern"

Hallo Günther®!

Guck mal:

Günther® schrieb:
...
Frage deshalb zum 'verbessern' / 'schönen' von Bildern: wie weit darf / soll ein abgelichtetes Motiv gegenüber der Realität verändert werden? Und was ist es danach noch wert?
Das war allgemein formuliert, daher hat es Christa umgehängt. Problem ist, die Fotorubrik wird von Zeit zu Zeit entrümpelt, sprich Altes gelöscht und um so gehaltvolle Themen mit entsprechenden Beiträgen wärs doch schade.

Wenn Du natürlich jetzt Dich auf ein Bild/das Bild beziehen möchtest, jederzeit. Dann würdest Du dort wohl fragen, inwieweit man das Einfügen eines neuen Himmels als dokumentarisch zulässig sehen würde.

Ich muß zugeben, ich hatte Deine Frage auch als eine nach der allgemeinen Auffassung der anderen verstanden, wie sie insgesamt zur Retusche stehen.

Gruß,

Ralf

PS. Um dieses Bild gings: http://www.ffsf.de/showthread.php?t=5714 (Link wird irgendwann nicht mehr funktionieren)
 
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