AW: Von Frontlinsenöffnungen und Blendenstufen (Achtung: viel Theorie!)
Hallo!
Ein kleines, kurzes Zitat zur Blende aus Kurt Dieter Solf, Fotografie - Grundlage, Technik, Praxis (Fischer-TB, 1976), Seite 156 ff.:
"Die Blende
Die Größe der Öffnung, durch die die Lichtstrahlen auf den Film fallen, wird durch die regelbare Blende des Objektivs bestimmt. Sie ist eine Aperturblende, d. h., sie beschneidet das ins Objektiv fallende Lichtstrahlenbündel derart, dass die Bildhelligkeit, nicht aber der Bildwinkel verändert wird. Auch der Rahmen des Filmausschnitts, das »Fenster« der Negativbühne, ist als Blende aufzufassen, da er ebenfalls das Strahlenbündel beschneidet. Die Größe dieses Rahmens bestimmt jedoch Bildausschnitt und Bildwinkel; man spricht hier im Unterschied zu einer Apertur- oder Öffnungsblende von einer Feldblende, und zwar von der Bildfeldblende. Auch im Dingraum ist das Lichtstrahlenbündel begrenzt, gewissermaßen durch ein dorthin projiziertes »Bild« des Bildfensters, das einen bestimmten Ausschnitt aus der jeweiligen Objektebene erfasst. Man spricht hier von der Gesichtsfeld- oder Sehfeldblende. Als Feld- und Öffnungsblenden, d. h. als strahlenbündelbegrenzende Elemente, wirken im übrigen auch die Linsenfassungen, der Objektivtubus oder der Balgen; als Sehfeldblende kann in durchaus unerwünschtem Sinn auch eine zu enge Filterfassung oder eine zu lange Gegenlichtblende wirken: Sie beschneiden das Gesichtsfeld an Rändern und Ecken, sie »vignettieren«. Gegenlichtblenden (Sonnenblenden) müssen immer so bemessen sein, dass sie Streulicht, d. h. Strahlen, die aus Richtung außerhalb des Gesichtsfeldwinkels einfallen, abschirmen, jedoch selbst nicht als Feldblenden wirken. Dazu müssen sie eine Fläche frei lassen, die dem dingseitigen Bild des Negativfensters in der Ebene des vorderen Blendenrandes, nach allen vier Seiten vergrößert um den halben Durchmesser der wirksamen Linsenfläche bei offener Blende, entspricht, Denn so groß ist das Sehfeld für kurze Entfernungen (Abb. 1). Man verwendet für kurzbrennweitige Objektive kürzere und meist konisch erweiterte Gegenlichtblenden, während die Blenden für Teleobjektive engere und längere Tuben sein dürfen. Für bildfeldbegrenzende Elemente im Bildraum (z. B. Tubenquerschnitte) gilt dagegen, dass ihre lichte Weite um so größer sein muss, je länger die Bildweite und je größer der wirksame Linsendurchmesser ist und je näher sie bei der Bildebene liegen.
Die Aperturblende unserer Objektive ist in den allermeisten Fällen eine kontinuierlich verstellbare sog. Irisblende. Sie besteht aus sichelförmigen Metallblättchen, die auf einer Scheibe drehbar gelagert sind und mit Stiften in den Schlitzen eines Führungsrings geführt werden, so dass sie eine regulierbare Öffnung zwischen sich bilden (Abb. 2). Bei Filmkameras ist auch die ebenfalls stufenlos einstellbare Katzenaugenblende gebräuchlich (Abb. 3), die relativ einfach durch eine Belichtungsautomatik verstellt werden kann; an ganz einfachen Kameras findet sich auch die Schiebe- oder Revolverblende, bei der Öffnungen mit unterschiedlichen Durchmessern in einer Blechplatte in den Strahlengang geschaltet werden (Abb. 4). Wie eine Irisblende die Objektivöffnung verengt, lässt sich bei einem Blick auf die Frontlinse beobachten. Die Blendenöffnungen, die wir dabei sehen, sind nun freilich nicht die, für die Belichtung zu veranschlagenden wirksamen Öffnungen. Die inneren Teile des Objektivs, Linsendurchmesser, Fassungen, Blende unterliegen gewissermaßen ebenfalls den Abbildungsgesetzen; somit ist nicht die Größe der Blenderöffnung selbst maßgebend, sondern die Größe des vom Strahlengang erzeugten dingseitigen und bildseitigen »Blendenbildes«. Bringt man im dingseitigen Brennpunkt eine punktförmige Lichtquelle (z. B. eine Lampe hinter einer Pappe mit einem feinen Loch) an, so werden die Strahlen durch das Objektiv parallel gerichtet; man kann dann im Bildraum einen Lichtfleck auffangen, der das bildseitige Blendenbild darstellt. Man nennt dieses Blendenbild »Austrittspupille«. Bringt man nun dieselbe Lichtquelle am bildseitigen Brennpunkt an, so kann man umgekehrt vor dem Objektiv einen Lichtfleck sichtbar machen, der das dingseitige Blendenbild darstellt, die sog. »Eintrittspupille«. Die Eintrittspupille ist die wirksame Öffnung unserer Blende und ihr Durchmesser der wirksame Blendendurchmesser. Nur wenn die Blende außerhalb des Objektivs, d. h. vor oder hinter ihm - im Ding- bzw. Bildraum - liegt, was bei Zweilinsern (Achromaten) der Fall ist, ist die Blende selbst Eintrittspupille bzw. Austrittspupille. Der Durchmesser der wirksamen Öffnung lässt sich also nicht durch ein einfaches Abmessen feststellen; falls uns seine Größe interessiert, müssen wir sie aus Brennweite und Öffnungsverhältnis errechnen (s. u.).
Die Blende hat nun folgende wichtige Funktionen zu erfüllen:
1. Sie regelt durch Veränderung der Lichtdurchtrittsöffnung die Bildhelligkeit. Sie ist damit der Gegenspieler des Verschlusses, der durch kürzere oder längere Öffnungszeiten die auf den Film fallende Lichtmenge regelt. Wir erinnern uns, dass die Belichtung H das Produkt der Beleuchtungsstärke E und der Zeit t ist. Die Größe der erforderlichen Belichtung ist dabei abhängig vom »Lichtangebot« des Motivs und seiner Beleuchtung und von der Empfindlichkeit (S. 39 f.) des Aufnahmematerials. Dieselbe Belichtungsgröße lässt sich durch beliebige Kombination von Zeit- und Blendenwerten erreichen (innerhalb des durch den Schwarzschild-Effekt und den Kurzzeiteffekt - S. 49 - gesetzten Rahmens).
2. Die Blende regelt die Schärfentiefe, d. h. die Größe der Zone vor und hinter der eingestellten Dingweite, die ebenfalls noch scharf erfasst wird. Auf diese Tatsache sind wir bei der Betrachtung der Abbildungsverhält¬nisse noch nicht eingegangen. Wir behandeln den für den. Fotografen sehr wichtigen Begriff der Schärfentiefe in einem eigenen Kapitel (S.160 ff.). Ferner hat die Größe der Blenderöffnung Einfluss auf die Beugungsverhältnisse; im Bildraum und damit auf die Allgemeinschärfe. Wir erinnern uns: Jeder Bildpunkt ist ein Beugungsbild der Blende (wir verweisen auf den. Abschnitt »Beugung und Brechung«, S. 119 ff.). Die Form der Blenderöffnung (rund, viereckig, vieleckig) bestimmt die Form der Bildpunkte, z. B. bei der Rasterzerlegung oder bei den Beugungsbildern von Lichtquellen, die direkt ins Objektiv strahlen.
Diese Funktionen sind zwangsläufig miteinander gekoppelt: Eine große Blenderöffnung gestattet kürzere Belichtungszeiten und damit das Festhalten von Bewegungen, sie vermindert die Gefahr von Verwacklungen, sie nutzt vielleicht auch die Schärfeleistung des Objektivs besser aus, aber sie bringt eine geringere Schärfentiefe als eine kleine Blenderöffnung. Eine kleine Blendenöffnung bringt große Schärfentiefe, verlangt aber eine längere Belichtungszeit, eventuell einen höher empfindlichen (und grobkörnigeren) Film oder Stativverwendung und kann die Schärfeleistung des Objektivs mindern.
Die Blendenwahl ist somit immer ein Kompromiss, bei dem der Fotograf alle Gegebenheiten gegeneinander abwägen muss. Er kann andererseits aber durch gezielte Abgrenzung und Verlagerung der Schärfentiefe den Charakter des Bildes außerordentlich beeinflussen: Er kann ein Motiv von vorne bis hinten scharf erfassen und den Hintergrund tapetenmusterartig durchzeichnen, oder er kann sich mit der Schärfe auf das Wesentliche beschränken und den Hintergrund in Unschärfe auflösen, er kann eine einzelne markante Kontur aus wirkungsvoller Unschärfe herausheben, er kann durch einen verwischten Vordergrund den Blick in die Tiefe lenken usw. Die Blendeneinstellung ist somit nicht nur notwendiges Belichtungskorrektiv, sondern vornehmlich ein Gestaltungsmittel. Dabei ist freilich zu bedenken, dass eine bestimmte Wirkung nie durch den Einsatz eines solchen Mittels allein, sondern immer nur durch das Zusammenspiel aller fotografischen Faktoren entsteht; im Fall der Schärfentiefe sind außer der Blende auch Aufnahmeentfernung und Brennweite maßgebend, von diesen wiederum hängen Bildausschnitt und Perspektive ab usw. Der Fotograf sollte diese technischen Mittel als Ausdrucksmittel verstehen und beherrschen und sie nicht als ein notwendiges Übel betrachten, das man am besten einer Automatik überlässt. Doch auf das Zusammenspiel der bildgestaltenden Faktoren werden wir noch öfter zurückkommen.
Die merkwürdigen gebrochenen Zahlen, mit denen die Blendenwerte angegeben werden und die auf der Blendenskala des Objektivs abzulesen sind, wirken auf den Fotoneuling etwas befremdend. Sie erklären sich daraus, dass man, um die Blendenöffnung in ihrer Wirkung festzulegen, sie in eine Beziehung zur Bildweite setzen muss: Verdoppelt man z. B. eine bestimmte Bildweite, so fällt bei gleicher Blendenöffnung auf einen Quadratzentimeter des Bildes nur mehr der vierte Teil der ursprünglichen Lichtmenge, da das Bild ja jetzt viermal so groß ist. Eine Blendenöffnung bestimmten Durchmessers wird bei der Verdoppelung der Bildweite somit viermal weniger »lichtstark«. Sie folgt darin dem sog. Abstandsgesetz von Isaac Newton, demzufolge die auf das Bild einwirkende Lichtintensität sich umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes zwischen Bild und Blende vermindert.
Da die Blendenöffnung andererseits eine Kreisfläche ist, deren Größe proportional dem Quadrat ihres Durchmessers ist, bedeutet eine Verdopplung des Öffnungsdurchmessers eine Vervierfachung der wirksamen Öffnungsfläche. Es liegt somit nahe, Blendendurchmesser und Bildweite ins Verhältnis zu setzen und als Blendenwert dieses sog. Öffnungsverhältnis anzugeben. Nun verwendet man als Bezugswert allerdings nicht die Bildweite, die sich ja ständig ändert, sondern die konstante Brennweite (und nimmt dabei in Kauf, dass bei größeren Bildweiten die Blendenwerte nicht mehr mit dem tatsächlichen Öffnungsverhältnis übereinstimmen), und definiert als Öffnungsverhältnis (relative Öffnung) Ö: wirksamer Blendendurchmesser/ Brennweite.Hat also ein Objektiv das Öffnungsverhältnis 1 : 1, so bedeutet eine Verkleinerung der Blendenöffnung auf das Verhältnis 1 : 2 eine Verminderung der Lichtintensität auf ein Viertel, eine nochmalige Halbierung des Öffnungsdurchmessers auf den Wert 1 : 4 eine Helligkeitsminderung auf 1/16; usw. Aus diesen Zahlen baut sich nun die Blendenreihe auf: man gibt jedoch einfachheitshalber statt der Verhältniszahlen ihre Kehrwerte, die »Blendenzahlen« (K) 1, 2, 4, 8, 16, 32 an. Diese Blendenreihe ist also logarithmisch abgestuft, was dem Schwärzungsverhalten der Gradation entgegenkommt (vgl. S. 29 f.). Bei diesen geradzahligen Öffnungsverhältnissen ist der Unterschied zwischen zwei Werten allerdings sehr groß; man muss die Blendenreihe verfeinern, indem man Zwischenwerte einführt, die einer einfachen Verdoppelung oder Halbierung der Blendenfläche entsprechen. Dann bedeutet die Einstellung auf eine nächst größere Zahl die Halbierung, die Einstellung auf eine nächst kleinere Blendenzahl die Verdoppelung der hindurchgelassenen Lichtmenge. Diese Zwischenwerte, die man durch Multiplikation der obigen Blendenzahlen mit dem Faktor √2 bzw. √0,5 erhält, fügen der Blendenskala die eigentümlichen »krummen« Zahlenwerte 1,4, 2,8, 5,6, 11, 22 usw. hinzu.
Für die Praxis ist eine noch feinere Unterteilung der Blendenreihe erforderlich, d. h. man benötigt Zwischenwerte, die einen Blendensprung noch einmal halbieren. Diese Zwischenwerte werden nicht mehr in Zahlen angegeben; sie werden durch Zwischenstellen der beweglichen Blendenmarke zwischen zwei Blendenwerte interpoliert. Ein halber Blendenschritt entspricht ziemlich genau den arithmetischen Mitteln der entsprechenden Blendenzahlen; die genau eineinhalbfache Lichtmenge etwa der Blende 4 ist bei einer Öffnung mit der Blendenzahl 4 X √0,75 = 3,4 gegeben (die auch das arithmetische Mittel zwischen 2,8 und 4 ist). Die Einstellung der Blendenmarke auf die Mitte zwischen zwei Blendenzahlen realisiert die Halbierung der Blendenstufe nur annähernd, da die Abstände zwischen den Blendenzahlen auf der Skala logarithmisch zu unterteilen wären. Dies kann jedoch vor allem bei größeren Blendenzahlen (kleineren Öffnungen) vernachlässigt werden. Objektive für Spiegelreflexkameras mit automatisch betätigter Blende lassen gewöhnlich nur halbe Blendenwerte als Zwischeneinstellungen zu.
Das größtmögliche Öffnungsverhältnis (kleinste Blendenzahl), das sich an einem Objektiv einstellen lässt, bezeichnet man als die »Lichtstärke« des Objektivs. Dieser Begriff ist etwas unglücklich, weil er nicht mit dem photometrischen Begriff der Lichtstärke verwechselt werden darf, aber er hat sich im fotografischen Sprachgebrauch so eingebürgert, dass wir nicht auf ihn verzichten können. Gewöhnlich wird großer Wert auf möglichst lichtstarke Objektive gelegt. Hohe Lichtstärke erfordert jedoch einen Konstruktions- und Korrektionsaufwand, der durch die Praxis oft nicht gerechtfertigt ist, zumal man bei großen Blendenöffnungen Nachteile wie extrem geringe Schärfentiefe, stärkeres Hervortreten restlicher Abbildungsfehler u. ä. in Kauf nehmen muss. (Die Wahl eines höher empfindlichen Films ist nicht nur entschieden billiger, sondern auch der fotografischen Aufgabe oft angemessener als der Kauf eines lichtstarken Objektivs, dessen Leistung man nur in Sonderfällen ganz ausnutzen kann.)
Öffnungsverhältnisse bzw. Blendenzahlen sind rein geometrische Größen; sie berücksichtigen nicht, dass durch Lichtabsorption in den Linsen sowie durch Totalreflexion ein gewisser Teil des in das Objektiv einfallenden Lichts verloren geht. Die relative Beleuchtungsstärke ist um einen Faktor geringer, den man den Durchlassgrad des Objektivs nennt. Diejenige relative Öffnung, die der wahren Beleuchtungsstärke entspricht, wird als effektives Öffnungsverhältnis bezeichnet. Der Durchlassgrad eines Objektivs wird vor allem durch die Vergütung der freien Linsenoberflächen (S. 186 f.) verbessert.
Stellen wir nun der Blendenskala die Blendenschritte oder -stufen gegenüber, die jeweils einer Halbierung oder Verdoppelung der Blendenöffnung entsprechen, sowie die sich daraus ergebenden Abblendungsfaktoren (die z. B. die Faktoren für die Verlängerung der Belichtungszeit sind)
…
Wir sehen nun, dass die Blendenstufen (n) die Logarithmen zur Basis zwei der zugehörigen Abblendungsfaktoren sind. Diese Tabelle wird uns noch beschäftigen. Sie gestattet nämlich ein einfaches Rechnen mit Helligkeitswerten, Kontrastfaktoren, Verlängerungsfaktoren usw. Drückt man gemessene Helligkeitswerte als unterschiedliche Blendenwerte für eine gegebene Belichtungszeit aus, so kann man Helligkeitsfaktoren multiplizieren, indem man sie als Blendenschritte addiert; man kann die Helligkeiten zweier Lampen addieren, indem man die Numeri (Antilogarithmen 2n )der zugehörigen Blendenschritte addiert…"
Eventuelle typografische Fehler sind durch das Einfügen aus der Textverarbeitung bedingt.
Im Übrigen ist eine Verhältniszahl per definitionem keine Funktion, der größte Wert kann nur 1 sein.
Gruß
Günter